Skip to main content

Tipps

Die unten stehenden Geschichten sind Beispiele aus dem Erziehungsalltag. Vielleicht entnehmen Sie diesen den einen oder anderen hilfreichen Gedanken, wie Sie Erziehungsprobleme angehen und sich in erzieherischen Belastungssituationen verhalten können. Da jedoch jede Familie und ihr Alltag sehr verschieden sind, beantworten wir Ihre Fragen gerne individuell.


Tochter (2-jährig) weigert sich regelmässig, die Zähne zu putzen, rennt durch die Wohnung…

Durch die Wohnung rennen an Stelle von Zähne putzen, macht nur dann Spass, wenn die Mutter oder der Vater hinterher rennt. Ausserdem ist aus der Sicht der Kinder überhaupt nicht nachvollziehbar, warum ihr Spiel häufig gerade im schönsten Moment unterbrochen wird, um Zähne zu putzen. Ein echter Interessenkonflikt flammt auf.

Häufig hilft es, wenn man das Zähneputzen in ein Ritual einbindet und ihm einen fixen Ablauf gibt. Am Abend könnte das beispielsweise so aussehen: zuerst aufs WC gehen, Pyjama anziehen, dann die Zähne im Badezimmer putzen (z.B. mit «Zahnputzlied») und erst dann gemeinsam im Bett eine Gutenachtgeschichte vorlesen. Seien Sie konsequent mit Ihrem Kind und machen Sie deutlich, dass, wenn es zulange „herumkasperlt“, keine Zeit mehr für die Geschichte bleiben wird.


«Du Gaggi-Mami, du Gaggi-Papi.»

Wenn 3- bis 5-jährige Kinder anfangen, so zu reden, haben sie meistens grossen Spass daran. Vielfach hören sie solche Wörter von anderen Kindern in der Krippe oder im Kindergarten, so dass es völlig normal ist, dass sie diese auch zu verwenden.

Ich empfehle Eltern, es nicht als persönlichen Angriff zu werten, den man sofort unterbinden sollte. Dies ist eine Einladung für das Kind zum Weitermachen. Zuerst gilt es, die Aufmerksamkeit auf den Spass zu lenken, welches ihr Kind am Gebrauchen solcher Wörter empfindet. Z.B. "Du hast ein neues Wort gelernt und es macht dir Spass, es mit mir auszuprobieren, gell?" Anschliessend kann die Mutter ihrem Sohn sagen, dass sie sich nicht wohl fühlt, wenn er "Gaggi-Mami" sagt. "Ich möchte, dass wir alle in der Familie es auch lustig finden. Alle sollen sich wohl fühlen und lachen, nicht nur einer." So vertreten sie ihren Wert "nicht auf Kosten anderer Spass haben, sondern nur gemeinsam". "Wie können wir also gemeinsam Spass haben?" wäre eine gute Frage an ihr Kind. Hast du eine Idee? …. "Ich hätte einen Vorschlag!"

Man kann das kindliche Bedürfnis in ein Spiel verpacken und vorschlagen, hie und da 5 Minuten lang eine Ausnahme zu machen, wo alle verbotenen Wörter gesagt werden dürfen, die einem einfallen. In der Regel sind die wüsten Wörter nach 30 Sekunden schon vorbei. Lustig ist es, sich abwechselnd kreative Wortschöpfungen an den Kopf zu werfen. Beispiel: "Du verschleimter Blindschleichenfurz." Dann wechseln. Strikte auf den Zeitrahmen achten und bei anfänglicher Regelüberschreitung, weil das Kind gerne weiterspielen möchte, die Grenze deutlich markieren.

Dieses Ausnahmespiel eignet sich auch sehr, wenn es um das Thema schön essen geht. Ab und zu ein Räuberessen zu machen, wo man mit Händen essen darf, schlürfen, schmatzen, rülpsen etc., kann enorm helfen und vor allem Spass machen.

Rainer Kreuzheck, Team ELTERNNOTRUF


« Mein 9-jähriger Sohn hat immer anderes zu tun, ...»

..will mit Kollegen spielen, fernsehen. Es wird dann oft abends spät, bis er endlich dazu kommt, seine Hausaufgaben zu machen. Dann muss ich als Mutter noch helfen. Ich habe das Thema so satt…"

In einer ruhigen Situation können Sie den Ablauf mit Ihrem Sohn, wenn er nach Hause kommt, besprechen. "Ich habe ein Problem damit, dass du deine Aufgaben erst so spät machst. "Wie viel Zeit braucht er, um nach der Schule zu entspannen? Wie geht das am besten? Bis wann müssen die Aufgaben gemacht sein, welche Hilfe können Sie anbieten? "Ich möchte, dass du in Zukunft die Aufgaben früher machst, weil es für dich und mich abends zu spät ist."

Wenn das geklärt ist, wäre es Ihre Aufgabe, ihn an die Abmachungen zu erinnern, z.B. wenn ein Kollege anruft und er dann doch sofort weg will. Am besten nur kurz hinweisen, dass es erst nach den Aufgaben möglich ist und dann nicht darauf warten, bis der Streit losgeht, sondern aus dem Raum gehen. Vielleicht muss der Sohn laut werden, ausrufen, sich abreagieren, das hat aber mehr mit der Situation, als mit Ihnen zu tun. Wenn Sie stehen bleiben, eskaliert es viel schneller. Sie haben dann auch eher das Gefühl, dass sich die Aggressionen gegen Sie persönlich richten. Das muss aber gar nicht so sein…Es ist auch hilfreich, wenn Sie sagen, bis wann Sie für Hilfe zur Verfügung stehen. Wenn er trotz allem die Aufgaben nicht macht, muss er halt in die Schule ohne seine Aufgaben, den meisten Kindern ist es dabei nicht wohl. Es macht ihm aber klar, dass Hausaufgaben grundsätzlich in seiner Verantwortung liegen und es in erster Linie eine Sache zwischen ihm und der Schule ist.


«Unsere Töchter (8 und 10 Jahre) streiten sich immer sehr heftig. Was kann ich tun?»

In der Hitze der Situation, wenn alle sehr aufgeregt sind, ist reden, sich entschuldigen usw. nicht realistisch. Es heisst "man soll das Eisen schmieden, wenn es kalt ist", das heisst, wenn alle sich beruhigt haben. Dann kann man gemeinsam die beiden Geschichten der Töchter anhören, Regeln beim Streit abmachen (nicht an den Haaren ziehen, nicht beissen, treten etc.) und die Kinder mit Fragen unterstützen, was jede tun wird, damit es zukünftig etwas besser zwischen ihnen geht.

Streit zwischen Kindern ist oft an ein Publikum – sprich z.B. an die Eltern – gerichtet. Wenn Kinder anfangen, kann man den Raum verlassen, oft beruhigt es sich alleine dadurch schon. Im Prinzip können die Töchter in diesem Alter bereits selber Lösungen finden. Wenn es handgreiflich wird, ist jedoch Handeln angesagt, dann ist der Moment  zum Reden schon vorbei. Handeln heisst, beide auseinander nehmen und in verschiedene Zimmer schicken, respektive begleiten. Erst nachher wird dann geredet und zugehört.


Auseinandersetzungen mit Jugendlichen, am Beispiel Sackgeld

Die Tochter (12) verlangt mehr Sackgeld, weil sie ihre Handyrechnung nicht mehr bezahlen kann und sagt, sie werde sozial ausgeschlossen, wenn sie nicht weiterhin per Handy kommunizieren könne. Sie erpresst die Mutter mit der Drohung, sie klaue sich das Geld sonst zusammen. Die Mutter bleibt strikt und es kommt zur Eskalation: Die Tochter schmeisst das Handy der Mutter gegen die Wand und verflucht sie. Was tun?

Kinder neigen zu Argumenten wie: "Die anderen haben dies und ich nicht." "Die anderen dürfen mehr als ich darf." Wenn man den Mut hat, bei anderen Eltern nachzufragen, ist es oft nicht so. Zudem wird es immer andere geben, die mehr haben und dürfen. Eltern sollten ihre eigene Haltung bewahren. Kinder und Jugendliche finden Argumente, die Eltern verunsichern und die es ihnen schwer machen, Nein zu sagen.

Es ist gut, dass diese Mutter eine eigene, klare Haltung vertritt und konsequent umsetzt. Hier gilt es den Mut zu haben und ohne Scheu vor einem Konflikt seiner Haltung treu zu bleiben und diese umzusetzen. Im Moment einer Eskalation kann Ruhe und Distanz helfen. Später, wenn sich die Situation beruhigt hat, lohnt es sich, den Konflikt zu besprechen. Die Mutter sollte der Tochter kurz und klar das Bedürfnis nach einem respektvollen verbalen Umgang mitteilen, bestenfalls ist sie darin Vorbild.

Wenn bewusst Material zerstört wird, sollte die Tochter als Konsequenz ihres Handelns die finanzielle Verantwortung dafür übernehmen. Wie sich dies gestaltet, kann mit ihr gemeinsam besprochen werden. Weiterführend könnte die Mutter die Tochter fragen: "Welche Ideen hast du, um zu verhindern, dass etwas zerstört wird, wenn du das nächste Mal wütend wirst?"


Elternmisshandlung durch Jugendliche

Am Abend ruft Frau L. an. Sie hat zwei Jugendliche, 14- und 16-jährig, die sie als "sehr intensiv" beschreibt. Sie machen, was sie wollen, die Eltern wissen nicht recht, wie damit umgehen.

Die Situation tönt anfänglich bekannt und nicht unüblich. Als ich genauer nachfrage, welche Situationen denn besonders schwierig sind für die Eltern, entfaltet sich allmählich ein ganz anderes Bild.  Die Kinder erpressen die Eltern, wollen Geld für Markenkleider und Zigaretten, schreiben der Mutter vor, was sie zu kochen hat, bedrohen beide Eltern verbal und haben auch schon körperliche Gewalt ausgeübt.

Nach 15 Minuten ist der Moment gekommen, Klartext zu reden: "Liebe Frau L., möchten Sie von mir hören, wie ich Ihre Situation einschätze?" Ja, das möchte sie. "Ihre Kinder sind nicht nur sehr intensiv, sie sind vor allem gewalttätig, was bei Ihnen in der Familie passiert, nennen wir Elternmisshandlung." Es ist eine halbe Minute still, dann atmet Frau L. beinahe erleichtert auf. Wir können darüber reden, dass sie sich als Mutter wirklich bedroht fühlt, dass es so nicht weiter gehen kann und sollte, auch im Interesse der Kinder.  Der erste Schritt ist oft die klare Benennung der Gewalt. Erst wenn die Betroffene der Realität in die Augen sieht und ihr einen Namen gibt, wird es möglich, zu schauen, welche Schritte in Richtung Veränderung möglich sind. Am Telefon ist es oft einfacher heikle Themen anzusprechen, weil die Anruferin anonym bleiben kann.